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Regionale 2025
wanderpublikationen
Diskursive Grundlagen
wanderteam

wanderspace entwickelt und realisiert gemeinsam mit Künstler:innen und regionalen Akteur:innen in Südwestfalen Projekte die kulturelle Teilhabe ermöglichen.

Kunst und künstlerische Strategien entfalten sich von dort aus in den ländlichen, öffentlichen Raum, sind Ausgangs- und Bezugsrahmen von Begegnungen.

Zentrales Anliegen ist die Einbindung der Menschen vor Ort und die Vernetzung kultureller Akteur:innen in Südwestfalen.

Wesentliche Bausteine des wanderspace Projektes sind:

Die wandergäste sind Künstler:innen, die für einen längeren Zeitraum in der Region in transdisziplinären Kooperationen mit Institutionen und Vereinen vor Ort arbeiten.

Die wandertalks sind eine Veranstaltungsreihe, die regionale und überregioanle Gesprächspartner:innen zum Dialog in den wanderspace oder an die vielfältigen Kulturorte in Südwestfalen einlädt.

Das wandermöbel ist eine kollektive gestalterische Raumbestezung an verschiedenen Orten.

Regionale 2025

Das Projekt wanderspace wurde im Juli 2023 mit dem dritten Stern der REGIONALE 2025 ausgezeichnet. In diesem Rahmen ist auch ein Video zum wanderspace entstanden.

7 Tage, 7 Hügel – Waldfegen

Ein Laubwald, eine Gruppe von Menschen, Rechen, eine warme Suppe, Seelen und eine Kamera. So könnte man die wenigen wesentlichen Bestandteile der Kunstaktion 7 Tage, 7 Hügel-Waldfegen auflisten. Was aus diesen Zutaten entsteht ist wesentlich komplexer und nicht in wenigen Worten zu fassen. Wir haben Ivo Weber, der das Waldfegen seit über 20 Jahren erfolgreich in Köln praktiziert, eingeladen, als Wandergast im Rahmen des Wanderspace einen Beitrag zu leisten. Die vorliegende Publikation dokumentiert die Kunstaktion und gibt mit den Textbeiträgen von Johanna Schwarz und Thorsten Schneider, sowie einem Interview von Kay von Keitz mit Ivo Weber, Anregungen zum Weiterdenken. 

Sie ist im Universi Verlag Siegen erschienen und kann dort oder in allen Buchhandlungen unter der ISBN: 978-3-96182-164-8 bestellt werden.

Eine Open Access Version zum kostenfreien Download finden Sie unten auf dieser Seite.

Wanderspace@Netphen

Bei Interesse senden wir Ihnen die Publikation gerne zu. Kontakt: info@wanderspace.de

Diskursive Grundlagen von künstlerischen Projekten im ländlichen Südwestfalen

Text von Dr. Susanne Henning

Ziel von wanderspace ist es, einen sowohl immateriellen als auch materiellen Rahmen zu entwickeln und zu erproben, innerhalb dessen künstlerische Projekte im ländlichen Südwestfalen stattfinden können. Neben praktischen Erfahrungen und Erkundungen bildet eine Auseinandersetzung mit diskursiven Hintergründen, den Implikationen und Vorannahmen dieses Vorhabens eine zentrale Grundlage des Projekts. Diese Auseinandersetzung dient der Suche nach Orientierungsmöglichkeiten, aus denen sich Praktiken entwickeln lassen.
Eine Vorannahme von Projekten, die wie wanderspace künstlerische Prozesse im ländlichen Raum initiieren möchten, besteht darin, dass diese Projekte positive Wirkungen entfalten. Eine konkretere Begründungs- und Legitimationsfigur in diesem Zusammenhang ist die These, dass künstlerische Projekte zu einer Demokratisierung von Teilhabe an gesellschaftlichen und kulturellen Entwicklungen beitragen. Doch wie können künstlerische Projekte in dieser Hinsicht performativ werden? Und wie verhält sich eine solche Performativität zu Fragen künstlerischer Autonomie?

Wie mit der Philosophin Isabelle Stengers überlegt werden kann, gerät durch die Annahme, dass künstlerische Projekte sich in positiver Weise auf ländliche Räume auswirken, die Frage nach herrschaftsfreien Beziehungen zwischen Künstler:innen und Landbewohner:innen in den Blick.
Eine solche Herrschaftsfreiheit sieht Stengers durch Perspektiven bedroht, in denen Künstlerinnen als Sehende Nicht-Künstler:innen neue Wege aufzeigen. Aus dieser Perspektive entwickelte künstlerische Projekte seien durch einen Elitismus geprägt, der für eine produktive Zusammenarbeit von Künstler:innen und Land-/Dorfbewohner:innen keine geeignete Basis bilde, sondern dazu führe, dass sich letztere schmollend abwendeten. (1) Auch Jacques Rancière problematisiert ein hierarchisches Verständnis der Beziehung von Künstlerinnen und Nicht-Künstlerinnen, nach dem Kunst die Aufgabe zugedacht werde, „Botschaften zu übermitteln, Modelle oder Gegenmodelle des Verhaltens vorzugeben oder zu lehren, wie man die Repräsentationen zu entziffern hat.“ (2) Eine so begriffene Kunst im Sinne einer „Pädagogik der repräsentativen Vermittlung“ (3) trage gerade nicht zu gemeinschaftlichen Entwicklungen oder einer Demokratisierung von Emanzipationsmöglichkeiten bei, sondern zementiere vielmehr bestehende Verhältnisse. (4) Als ebenso wenig erfolgversprechend können jedoch, und auch hier stimmen Stengers und Rancière überein, Perspektiven betrachtet werden, aus denen die Differenz zwischen Künstler:innen und Nicht-Künstler:innen, künstlerischen und alltäglichen Praktiken auf unterschiedliche Weise negiert wird. So problematisiert Stengers Vorgehensweisen, bei denen es darum geht, „denen, die ausgeschlossen sind, ein Wissen oder eine Vorstellungskraft zuzuschreiben, das darauf wartet, anerkannt zu werden“. (5) Hiermit einher gehe eine konsensorientierte „Partizipationsrhetorik […], die ihren Erfolg daran bemisst, dass ‚viele Leute dabei waren‘“(6), d.h. nicht danach fragt, inwiefern gemeinschaftlich selbstbestimmte, eigenes Denken erfordernde Formen der Teilhabe entwickelt werden. Für Jacques Rancière untergräbt eine Entdifferenzierung von Kunst und alltäglichen Praktiken insofern eine gesellschaftliche Wirksamkeit des Künstlerischen, als diese sich nur in einem Spannungsfeld zwischen aktiven und passiven Formen einer Widerständigkeit gegenüber bestehenden Verhältnissen entfalten könne. (7) Sobald künstlerisches Arbeiten sich soweit in außerkünstlerische Formen der Aktion bzw. des Aktivismus entgrenzt, dass sie von diesen nicht mehr unterschieden werden kann und somit die Form einer „Pädagogik der ethischen Unmittelbarkeit“ (8) annimmt, verliert sie aus Rancières Perspektive ihre transformativen Möglichkeiten.
Die vorgestellten Überlegungen zeigen zum einen auf, welche Verständnisse künstlerischen Arbeitens im ländlichen Raum einer Wirksamkeit von wanderspace-Projekten im Weg stehen könnten, zum anderen lassen sich aus ihnen Fragestellungen ableiten, die für die Konzeption dieser Projekte erkenntnis- und handlungsleitend sind: Wie kann künstlerisches Arbeiten im ländlichen Raum gedacht werden, das sich einerseits seiner Differenz zu alltäglichem Denken und Handeln bewusst ist und diese erkennbar werden lässt, aus seiner Besonderheit aber keine Haltung ableitet, die ein hierarchisches Verhältnis zwischen Künstler:innen und Nicht-Künstler:innen impliziert? Wie entsteht ein „Prozess, der seinen Ausgangspunkt auf die Probe stellt, der von allen Beteiligten eine Erweiterung ihres Blickfeldes erfordert.“ (9), d.h. für alle im gleichen Maße Entwicklungsmöglichkeiten eröffnet? Wie können Projekte initiiert werden, in denen künstlerisches Arbeiten sich den jeweils spezifischen Fragestellungen eines Dorfes, einer Initiative, einer Region öffnet und in seiner Auseinandersetzung mit diesen Fragestellungen ein Spannungsverhältnis zwischen Autonomie und Heteronomie aufrechterhält? Welche Chancen eröffnen sich durch künstlerische Projekte, die ihre partizipativen und performativen Möglichkeiten in einem Wechselspiel zwischen „Mittendrin und Draußen“ (10) entfalten?
In der Konzeption von wanderspace trägt eine Auseinandersetzung mit diesen Fragen zu Konturierungen bei. So bilden sie einen Hintergrund, vor dem über die Wahl von Künstlerinnen und Projektorten sowie über deren Zusammenfinden nachgedacht werden kann. Sie sind die Grundlage für die zeitliche Planung von Projekten, die der notwendigen Prozesshaftigkeit von Kollaborationen, einem „Mit-Werden“ (11) von Künstlerinnen und den nicht nur menschlichen Akteur:innen an den Projektorten, gerecht zu werden vermögen. Sie zeigen auf, dass Projekte gerade dann ihre Wirkungen entfalten, wenn sie nicht unmittelbar pädagogisch, sondern vielmehr als Eröffnung von Denk- und Kommunikationsräumen gedacht und entsprechend initiiert werden. Sie verweisen darüber hinaus auf Möglichkeiten, die im Rahmen von Projekten entstehenden künstlerischen Arbeiten zu denken: als Werke von Künstler:innen, deren Entstehung ohne die Begegnungen und den Austausch vor Ort nicht möglich gewesen wäre. (12) Nicht zuletzt sind die vorgestellten diskursiven Überlegungen auch eine Grundlage für die Entwicklung des materiellen wanderspace. Den Besonderheiten der künstlerischen Projekte des wanderspace entsprechend, erscheinen hier offene, veränderliche Strukturen geeignet, die verschiedene Aufgaben haben können, ohne in einer Funktionalität aufzugehen. So kann das materielle wanderspace Orte der Begegnung, Vernetzung oder der Präsentation bilden. Es kann Werkstatt oder Atelier sein und die regionale und überregionale Aufmerksamkeit auf die wanderspace-Projekte lenken. Gleichzeitig kann es als Skulptur sein Umfeld temporär künstlerisch transformieren oder eine autonome Objekthaftigkeit in den Vordergrund stellen.

(1) Vgl. Isabelle Stengers: Weil ich mich jetzt dazu autorisiert fühlen würde. https://neueauftraggeber.
de/de/offentlicher-dialog/im-auftrag-kunst-in-beziehung/weil-ich-mich-jetzt-dazu-autorisiert fuhlen-wurde.
(2) Jacques Rancière: Der emanzipierte Zuschauer. Wien: Passagen Verlag 2009, S. 68.
(3) Ebd.
(4) Im Sinne von „Aufteilungen des Sinnlichen“ als Strukturen, innerhalb derer festgelegt ist, wer wahrgenommen wird und eine Stimme hat und wer nicht. Vgl. Jacques Rancière: Die Aufteilung des Sinnlichen. Die Politik der Kunst und ihre Paradoxien. Berlin: b-books 2006, S. 25f.
(5) Isabelle Stengers: Weil ich mich jetzt dazu autorisiert fühlen würde.
(6) Ebd.
(7) Vgl. Jacques Rancière: Ist Kunst widerständig? Berlin: Merve 2008.
(8) Jacques Rancière: Der emanzipierte Zuschauer, S. 69.
(9) Isabelle Stengers: Weil ich mich jetzt dazu autorisiert fühlen würde.
(10) Max Glauner: Get involved! Partizipation als künstlerische Strategie, deren Modi Interaktion, Kooperation und Kollaboration und die Erfahrung eines „Mittendrin-und-draußen“, Kunstforum International Bd. 240 2016, S. 30-55.
(11) Donna J. Haraway, When Species Meet. Minneapolis: University of Minnesota Press, 2008, S. 244.
(12) „Das Werk geht durch ihn [den Künstler] hindurch, aber sein Erfolg wird sein, dass es nicht nur sein eigenes ist.“ Isabelle Stengers: Weil ich mich jetzt dazu autorisiert fühlen würde.
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wanderteam

wanderspace wird geleitet von Prof.in Johanna Schwarz
Lehrbereich Künstlerische Strategien im öffentlichen Raum & Kulturelle Bildung (Universität Siegen)
schwarz@kunst.uni-siegen.de

und

Initiiert wurde das Projekt im Rahmen der REGIONALE 2025 von Prof.in Johanna Schwarz

in Kooperation mit Dr. Susanne Henning (Kunst- und Musikpädagogik / Kulturvermittlung an der Universität Bielefeld)

Mitarbeitende der Universität Siegen:

Alexandra-Joy Jaeckel
Künstlerische Mitarbeiterin

Samuel Treindl
Künstlerischer Mitarbeiter

Stefanie Klingemann
Künstlerische Mitarbeiterin

Thorsten Schneider
Wissenschaftlicher Mitarbeiter

Charlotte Figulla
Studentische Mitarbeiterin

Nina Spiller
Studentische Mitarbeiterin

Christine Islamov
Studentische Mitarbeiterin

Ehemalige Mitarbeitende:

Sarah Bäumer
Wissenschaftliche Mitarbeiterin

Tessa Knapp
Künstlerische Mitarbeiterin

Aaron Krause
Wissenschaftliche Hilfskraft

Natalie Kowitz
Studentische Mitarbeiterin

Kooperationspartner:innen:

Dipl.-Ing. Univ.-Prof. Ulrich Exner
Universität Siegen
Fakultät II – Department Architektur
Raumgestaltung und Entwerfen

Qulturwerkstatt Netphen e.V.
Stefan Bünnig

Kunstverein Siegen
Jennifer Cierlitza
u.a.